[Vorab ein Hinweis auf die nach diesem Artikel ergangene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über die Zulassung der Ausstellung]

Das Verbot von Gunter von Hagens Ausstellung "Körperwelten" als Beispiel der Informationsfreiheit und potentieller Grenzen.

Erinnern wir uns:

Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Anmerkung:

  1. Die Möglichkeit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, setzt umgekehrt voraus, dass solche Quellen bereitgestellt werden oder zumindest bereitgestellt werden dürfen.

  2. Danach drängt sich die Frage auf, ob "einfaches" (soll heißen: nicht im Verfassungsrang stehendes) Bestattungsrecht, das nicht dazu geschaffen wurde, das Grundrecht der Informationsfreiheit einzuschränken, dieses Grundrecht einschränken kann.

Wohl kaum.

  1. Sodann stellt sich die Frage, ob die unantastbare Menschenwürde (Artikel 1 des Grundgesetzes) der "Ausstellungsobjekte" als Schranke greift:

Gehen wir davon aus, dass jeweils Einwilligungen zu Lebzeiten erfolgten, die eine entsprechende Darstellung abdecken, möglicherweise sogar wünschten, dürfte sich der Maßstab wohl bereits hierdurch relativieren.

Die Objekte selbst mögen umstritten sein - bewußt herabsetzend wird man sie aber wohl in keinem Fall bezeichnen können.

Dass der Tod in unserer Gesellschaft ausgegrenzt wird, ist vermutlich historisch bedingt - insbesondere die Kirchen- und Medizingeschichte würde hierzu einige Aufschlüsse bieten, die allerdings an dieser Stelle nicht im einzelnen aufgearbeitet werden können. Lassen wir diesen Aspekt dahinstehen.

Rechnet man aber die Zahlen der Weltbevölkerung hoch, so kommt man nicht darum herum, dass auf der Erde täglich allein altersbedingt etwa 200.000 Menschen sterben, ohne dass dies wirklich in unser Bewusstsein gelangt. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob es der Würde des Menschen nicht angemessen erscheint, vor diesem Hintergrund den Tod und das Leben selbst vornehmlich zum gesellschaftlichen Thema zu machen, anstatt sich davor zu verschließen.

  1. Es gibt offenbar keine vergleichbare Information zur Sache, die das offensichtlich breite Informationsbedürfnis der Menschen auch nur annähernd abdecken würde - ich kenne jedenfalls keine (abgesehen von der Teilnahme an Obduktionen im Rahmen der Vorlesung Gerichtsmedizin in der juristischen Ausbildung). Wird sie nicht von staatlicher Hand bereitgestellt, so erscheint eine entsprechende private Initiative umso begrüßenswerter.

An sich stellt sich dann die Frage, welche öffentlichen Fördermittel für eine solche Aufgabe vergeben werden - der Aufschrei der Empörung bei Inanspruchnahme solcher Verfahrensweise wäre bei den Kritikern der Ausstellung vermutlich groß. Nun erfolgt die Finanzierung hier aber offenbar ausschließlich und gerade privat - aus den Erträgen eines privaten Projekts gerade unter Vermeidung der Inanspruchnahme öffentlicher Gelder mit entsprechendem unternehmerischen Risiko - und der Aufschrei Empörung über diese "Kommerzialisierung" ist ebenso groß. Muss ein Initiator erst finanziell scheitern, damit sein Engagement als auch ideelles anerkannt wird?

Kommentar:

Man mag zur Sache so oder so stehen. Das gewährleistet die Meinungsfreiheit.

Aber die Einschränkung des nachvollziehbaren Informationsbedürfnisses der Menschen über das wesentlichste Element Ihres Daseins - Leben und Tod - sollte nicht untergewichtet werden: Mit Artikel 5 GG steht diesen Menschen ein Informationsrecht von Verfassungsrang zur Seite, dessen Einschränkung einer Rechtfertigung bedarf, die über Schlagworte hinausgehen muss.

Die Untersagung der Veranstaltung ist somit der Verlust eines Stücks bürgerlicher Freiheit: eines Stücks Informationsfreiheit, dessen Rechtfertigung einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs erfordern sollte als einen vornehmlich auf das Bestattungsrecht gestützten, behördlichen Verwaltungsakt.

Ende des Kommentars.

Zum Thema aktuell die Sueddeutsche Zeitung mit einer Reihe von Artikeln und insbesondere einem Diskussionsforum, das zeigt, welche Wellen das Thema schlägt.

Summary: The City of Munich banned the exhibition of Gunter von Hagens "Körperwelten" (Body Worlds). There is a keen discussion about this subjekt in Germany. In this blawg the subject is freedom of information - the correspondent of freedom of speech in the German Constitution (Basic Law/Grundgesetz: Artikel 5).



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