"... Inzwischen pochen in Deutschland fast nur noch die Verfassungsrichter und einzelne andere Richter, wie jetzt die des Bundesgerichtshofs, auf die Einhzaltung der alten, einst selbst gesetzten Regeln. Die breite Öffentlichkeit dagegen reagiert auf die Einschränkung von Bürgerrechten gleichgültig bis zustimmend.

Dabei geht es um mehr als die Unannehmlichkeiten Einzelner, die zu Unrecht in Verdacht geraten. Die Freiheit einer Gesellschaft geht schleichend verloren, wenn der Staat die Privatsphäre seiner Bürger immer weniger achtet.

Das Bundesverfassungsgericht hat einst vor einer Gesellschaft der Duckmäuser gewarnt, die sich nicht mehr trauen, am Telefon oder in der Familie frei und ungeschützt zu reden. Es gibt noch etwas Schlimmeres: eine Gesellschaft, der es egal ist, ob ihre Bürgerrechte bröckeln."

Stefan Geiger im Kommentar der Stuttgarter Zeitung von heute, Seite 1.



  

Essays und Kurzgeschichten über Bürgerrechte und Überwachung.

Die Abstimmung im Wettbewerb von telepolis über die eingesandten Kurzgeschichten ist noch bis 10.09.2006 möglich. Mehr zum Thema ...



  

Die generelle Freigabe von Mautdaten zu Fahndungszwecken geistert gerade wieder durch die Medien, und folgt man allein den Überschriften (z.B. hier), gewinnt man den Eindruck, jedes Zugeständnis des Bundesdatenschutzbeauftragten werde dabei schon als grundsätzliche Zustimmung transportiert.

Dabei hat Peter Schaar da eine recht eindeutige Meinung, und zwar insbesondere von den entscheidenden Politikern, welche die Einschränkungen nach (man ist fast geneigt zu sagen: ausnahmsweise umfänglicher) Debatte vertreten hatten und nun in Frage stellen:

"... Der Deutsche Bundestag hat vor zwei Jahren genau dieses sehr genau diskutiert und beschlossen. Und manchen von denen, die das heute verurteilen, haben vor zwei Jahren noch dafür gestimmt. Und eigentlich müssen die ja erklären, was denn diesen Stimmungswandel bei ihnen verursacht hat, ob sie vielleicht dieses Gesetz dann gar nicht gelesen haben, für das sie seinerzeit gestimmt haben. ..."

Wer den Standpunkt grundsätzlicher Freigabe vertritt, müsste konsequent eigentlich schon die Aufnahme jedes Bürgers in die DNA-Fahndungsdatenbank, die generelle Freigabe aller Mobilfunkdaten und am besten geich die Bürgerkennung via GPS- oder RFID-Chip unter der Haut fordern.

Denn dann würde sich die Aufklärungsquote für Morde und andere Schwerverbrechen mindestens verdoppeln. Zudem ergäben sich unzählige, wahrlich "segensreiche" Nebeneffekte, wie etwa die Möglichkeit, Vermisste oder hilflose Menschen quasi auf Knopfdruck zu finden, den Blutdruck Herzkranker online zu überwachen u.v.m.

Eigenartig, dass alle großen Online-Medien zu diesem Punkt gerade zu schweigen scheinen: Kein Spiegel-Online-Artikel, keine Stellungnahme der FAZ, kein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung oder in der Frankfurter Rundschau ist augenblicklich zu erkennen. Ist das nun beruhigend, dass diese Medien nicht auf einen populistischen Zug aufspringen - oder beunruhigend, dass sie nicht Stellung nehmen?