"Am Beginn der Neuzeit, als die Französische Revolution das alte Privilegienrecht abschaffte, ging sie von einem damals neuen Gegensatz aus, der im Gesetz auszugleichen sei. Es gebe ... einen legitimen Rechtsanspruch des Autors an seinem Werk, wie es zugleich auch ein Recht der Öffentlichkeit an diesem Werk gebe.
»La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l'homme«,
formuliert es nicht ohne Pathos der Artikel 11 der Erklärung der Menschenrechte und meint damit, daß dem Autor nur ein auf zehn Jahre nach seinem Tod begrenztes Recht zustehe. Dann müsse das propriété littéraire et artistique an die Allgemeinheit zurückfallen, weil sie die freie Zirkulation der Ideen brauche. ...
Wer seitdem urheberrechtliche Regularien entwarf, wie es dann auch die deutsche Rechtstradition seit Josef Kohlers Konzept des Immaterialgüterrechts tat, hatte immer beide Seiten im Blick zu halten. Das Recht der Urheber und die Freiheit der Informationen, so wußte man, waren Bedingungen der Möglichkeit einer modernen Gesellschaft.
Es scheint, als wäre das Wissen um diesen Zusammenhang dabei verloren zu gehen, und das allen EU-Richtlinien und allgemeinen Verlautbarungen zum „Masterplan zur Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ zum Trotz. In den Vordergrund treten unübersehbar die Interessen einer anderen Gruppe, die der industriellen Verwerter. Ihre Interessen sind es, die gegenwärtig die Novellierung des Urheberrechts in Deutschland antreiben.
Und das hat Folgen. Die Vermutung liegt nahe, dass das historisch gefundene Gleichgewicht von Urheber und Öffentlichkeit sich verändert, ja mehr noch, dass der dritte Spieler, die Verwerter eine Novellierung erzwingt, die zu Lasten der Urheber wie der Öffentlichkeit geht. Die geplante Änderung des Paragraphen 63a, der regelt, dass der Urheber seine gesetzlichen Vergütungsansprüche für erlaubnisfreie Nutzungen im voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten kann, damit nicht mehr an einen Verwerter wie etwa Verleger, Tonträgerhersteller oder Sendeunternehmen, kommt einer historisch gesehen beispiellosen Entmündigung der Urheber gleich. ... Die Konsequenzen der geplanten Novellierung sind hier so wenig zu verschweigen wie die Folgen für die Schulen und Universitäten. Sie betreffen längst die Öffentlichkeit und ihren Rechtsanspruch auf eine freie Informationsgesellschaft. ..."
Prof. Dr. Gerhard Lauer, "Die Entrechtung der Wissenschaften – Konsequenzen aus der Novellierung des Urheberrechts für die Geisteswissenschaften" in "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft - Anforderungen an das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft", herausgegeben von Ulrich Sieber und Thomas Hoeren, März 2005, Beiträge zur Hochschulpolitik 2/2005, dort S. 35 ff. (pdf, 194 S.).
simons, 22.05.2005, Topic 3.. Urheberrechtsreform Korb 2 -
... ab 01.07.2005, offenbar für alle Websites, also einschließlich Blogs.
ORF.at berichtet, dazu auch kinomu (mit Bloggerkommentar). Es stellen sich einige Fragen, z.B. die nach den tatsächlichen praktischen Auswirkungen.
Das geht im Grundsatz deutlich über das hinaus, was in Deutschland bereits gefordert wird - wenngleich offenbar Name und Wohn- bzw. Betreiberort ausreichen sollen. Schon in Deutschland herrscht aber im privaten Bereich und unter Webloggern Verunsicherung.
Kommentar:
Datensammler freuen sich. Meine Mailbox biegt sich schon vor Spam, seit mein Impressum zu diesem Zweck genutzt werden kann. Was ja Zeit und damit Geld kostet und eigentlich auch verboten ist, aber effektiv gesetzlich bekämpft wird?
Nun ist es also bald so weit: die Verbreitung der Nachricht, soeben aufgestanden zu sein, ohne Angabe einer Adresse, an der das überprüft werden könnte, lässt den Blogger endgültig in die Illegalität abtauchen und schlaflose Nächte finden, jedenfalls wenn er sein Blog in Austria betreibt.
Falls er nicht ohnehin schon zur Truppe der verbrecherischen Raubkopierer gehört, weil er einen Link zu einem mp3-File gesetzt hat, dessen Künstler ohne diesen Verweis mindestens so viele Platten wie Klicks mehr verkauft hätte. Oder etwa das Urheberrecht Erich Kästners (Erben) durch die Wiedergabe eines ihn oder sie berührenden Gedichts strafrechtsrelevant oder zumindest abmahnungsfähig und zahlungspflichtig verletzt.
Den jungen Blogger-Communities in Österreich, die mit einigem Idealismus eine deutschsprachige Blogosphäre aufgebaut haben, tut man damit sicher keinen Gefallen, den Antville-Entwicklern aus dem eigenen Land, die ihren Anteil an dem frisch gesprossenen Bloggerpflänzchen hier haben dürften, schon gar nicht.
Bleibt der Glaube, dass diejenigen, die die Anonymität missbrauchen sollten, sich ausgerechnet hier niederlassen anstatt im World Wide Web Betreiber zu suchen, die die Anonymität sogar schützen. Eine gewisse Naivität ist diesem Gedanken nicht abzusprechen, ignoriert er nebenbei auch noch den Zusammenhang zwischen Anonymität und Meinungsfreiheit, der in den USA in diesem Zusammenhang übrigens Verfassungsrang gebührt.
Oder warum eigentlich nicht auch gleich das Internet verbieten, wo sich doch bekanntlich einige Straftäter hier tummeln, deren üble Taten hiermit allein effektiv zu verhindern wären? Oder eine webfreie Zone in der Alpenrepublik, wenigstens als Modellversuch ...
Mehr zu diesem Thema etwa auch hier: "Erpressum" ...
[via Heiko Hebig, Le Teil und Moe (Plastic Thinking)]
Summary:
New laws about identifying information for bloggers and private sites in Austria. Summary and comment at GALJ:
"Apparently, Europe is resting on its data protection laurels and believes that the release of private information on web sites helps the consumer--the same consumer whom Europe requires to throw identification data to the sharks."
More information about and around the Impressum via Transblawg (Margaret Marks) (E).
simons, 20.05.2005, Topic Impressum, heute ... -

"Inside The Wire - Hinter dem Stacheldraht"
von Erik R. Saar - hier im Interview (G) - und Viveca Novak
simons, 19.05.2005, Topic 5. Verfahrensrechte, Proceedings - Nächste Seite