ist ein flammendes Plädoyer, die Demokratie zu pflegen; es trifft wohl einige aktuelle Stimmungen auf den Punkt und dürfte für bleibenden Diskussionsstoff sorgen.
Der Text schließt zusammenfassend mit den Worten:
"Der Aufstand der Menschen im Internet und anderswo für "ihren" Bundespräsidentschaftskandidaten Joachim Gauck spricht eine andere Sprache. Er könnte ein Zeichen sein, selbst und gerade dann, wenn Gauck verlieren sollte. Ein Symbol, das größer ist als der Mann. Ein Fanal für den Umbau unseres Staates, gespeist aus der Phantasie und Schwarmintelligenz seiner Bürger. Mehr Verantwortung für alle in den Städten, in den Betrieben und mehr Volksentscheide - dort ist vorn.
"Überall müssen sich Autorität und Tradition die Frage nach der Rechtfertigung gefallen lassen. Nicht weniger, sondern mehr Demokratie - das ist die Forderung, das ist das große Ziel, dem wir uns alle und zumal die Jugend zu verschreiben haben." Der das sagte, war ein großer Bundespräsident: Gustav Heinemann. Seine Worte gelten noch immer und wieder neu."
Richard David Precht, Der Spiegel 26/2010, derzeit frei nachlesbar bei Spiegel-online.de (hier in der Druckversion).
Schade, dass eine intellektuelle Analyse fast immer keine konkreten Lösungsvorschläge mit sich bringt. "Mehr" des Guten will aber jeder, sogar der "einfache Politiker". Und eine Diagnose - mag sie auch noch so treffend oder gar brilliant sein - ist jedoch und leider nur der Anfang und bestenfalls die erste Hälfte einer Heilbehandlung oder eines Heilungsprozesses. Man will fast zurufen: "Legen Sie nach, Herr Precht!"
simons, 28.06.2010, Topic 1.. Ueber Freiheit -
"Wir werden verlieren, wenn wir die Daschners gewähren lassen."
Das ist eine der zentralen Thesen von Ferdinand von Schirach in seinem aktuellen, umstrittenen Kommentar für Spiegel-Online (und im aktuellen Heft) zu den Schuldigen im "Fall Magnus Gäfgen", des Entführers und Mörders von Jakob von Metzler. Seines Erachtens fiel die Strafe bezüglich des damaligen stellvertretenden Polizeipräsident Frankfurts, Wolfgang Daschner, wegen der Folterandrohung zur Erlangung des Aufenthaltsorts des Opfers zu niedrig aus. Der hauptberufliche Strafverteidiger, der mit seinem Buch "Verbrechen" binnen 10 Monaten bereits die 13. Auflage erreicht hat, argumentiert dabei insbesondere:
Die Folgen müssten ganz anders aussehen. Der Polizist, der sich für die Folter entscheidet, muss hart bestraft werden. Keine Verwarnung mit Strafvorbehalt wie bei Daschner, sondern eine mehrjährige Gefängnisstrafe, Entlassung aus dem Dienst, Streichung der Pension. Es wiegt schwer, wenn der Staat selbst und seine Diener gegen die Gesetze verstoßen. Wenn Daschner solche Strafen hätte befürchten müssen, die jetzt auch der Europäische Gerichtshof indirekt verlangt, wäre es eine echte Entscheidung gewesen: Er rettet das Kind und geht selbst unter. Er würde nicht als Verbrecher eingesperrt, sondern als Held. Helden müssen scheitern, es ist ihr Wesen. Sie fallen, auch wenn sie glauben, sie hätten das Richtige getan." [...]
Das ist in der Theorie korrekt, wenn man die Betrachtung auf die Verteidigung des (absoluten) Folterverbots beschränkt. Es wird aber provokant, weil auch für Wolfgang Daschner (nur) das Schuldstrafrecht gilt. Damit gerät die - notwendige und anerkennenswerte - Verteidigung des (absoluten) Folterverbots in Konflikt mit der individuellen Schuldzumessung, die von Ferdinand von Schirach hier letztlich nicht hinreichend aufgelöst wird.
Danach muss er sich nicht wundern, wenn der Verdacht aufkommt, die Provokation vor allem zur eigenen Profilierung verwendet zu haben (was ich übrigens nicht glaube), womit der Verteidigung des Folterverbots (und der Würde des Täters - und damit auch potentiell nur verdächtiger Beschuldigter) leider wohl kein Dienst erwiesen wäre.
simons, 09.06.2010, Topic 5.. Folter, Torture -
"Keine Urheberrechtsverletzung durch Bildersuche bei Google" überschreibt der Bundesgerichtshof etwas undifferenziert die zusammenfassende Pressemitteilung zum Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08 – "Vorschaubilder".
Erste Besprechungen u.a. bei und via Spiegel online.de.
simons, 29.04.2010, Topic 3.. Copyright at Court - Nächste Seite