Soeben wurde bei jurpc das Urteil des OLG Stuttgart vom 24.04.2006 (pdf, 12 Seiten) veröffentlicht, mit dem Alvar Freude, der Betreiber von ODEM, von der Anklage der Verbreitung von Propagandamitteln, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Volksverhetzung und Gewaltdarstellung letztinstanzlich freigesprochen wurde.
Das Urteil bemüht sich sichtlich um eine Begrenzung der Entscheidungsgründe auf den streitgegenständlichen Einzelfall. Deshalb sind die Gründe, die die Redaktion von jurpc wie folgt in Leitsätzen zusammengefasst hat, auch recht restriktiv:
"1. Wer im Internet eine Dokumentation zur Sperrung von Links bereithält und diese mit Links zu Inhalten verfassungswidriger Organisationen versieht, von deren Inhalten er sich distanziert, ist gleichwohl grundsätzlich strafrechtlich für die Inhalte der von seiner Homepage aus aufrufbaren Seiten und Unterseiten verantwortlich.
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Die Verantwortlichkeit folgt daraus, dass der Täter in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Inhalte durch das Setzen der Links bewusst die Möglichkeit geschaffen hat, dass Dritte diese Inhalte der verlinkten Seiten und Unterseiten problemlos zur Kenntnis nehmen können.
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Der Täter bleibt trotz der grundsätzlichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach §§ 86 Abs. 3, 86a Abs. 3 und 130 Abs. 6 StGB straflos, wenn sich ergibt, dass die ins Internet gestellte Dokumentation der staatsbürgerlichen Aufklärung oder einem ähnlichen Zweck dient und damit eine Sozialadäquanz zu bejahen ist oder wenn zwar der Schutzbereich der §§ 86, 86a, 130 StGB berührt ist, aber der Täter sich auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann. Dabei sind nur den Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB erfüllende Äußerungen vom Schutzbereich des Art. 5 GG ausgenommen."
Der Verteidiger von Alvar Freude, Rechtsanwalt Thomas Stadler, stellt das Urteil ebenfalls bereit und berichtet mit eigenen Leitsätzen und Hinweisen hier.
Zum Verfahrensgang.
simons, 30.08.2006, Topic 2. Meinungsfreiheit, Freedom of Speech -
Er umfasst 200 Seiten (pdf). Das Bundeskartellamt hat hierzu eine sehr gute Zusammenfassung per Presseerklärung herausgegeben, im übrigen beginnen die Entscheidungsgründe selbst mit einer einleitenden Kurzzusammenfassung ab Seite 5, die Details der Begründung sind aus dem Inhaltsverzeichnis ab S. 199 heraus gut auffindbar.
Der sofortige Vollzug der Entscheidung ist angeordnet. Das erwartungsgemäß dagegen bereits eingelegte Rechtsmittel zum Kartellsenat des OLG Düsseldorf hat also für sich keine aufschiebende Wirkung. Offenbar ist daneben aber auch ein Eilantrag auf Aufhebung dieses Vollzugs anhängig, berichtet jedenfalls FAZ.net, über den aber auch erst "in den nächsten Monaten" zu erwarten steht.
Die Presse scheint sich im übrigen in der Bewertung der Entscheidung nicht so ganz sicher zu sein und beschränkt sich weitgehend auf die Wiedergabe von Reaktionen der Beteiligten und die konkreten Auswirkungen - jede Menge Artikel finden sich hierzu derzeit über Google-News.
Die Entscheidung ist eine Lehrstunde im Kartellrecht, einschließlich der einschlägigen Normen des Europarechts.
Es würde mich nicht wundern, wenn auch im zweiten "Spielverfahren", dem Streit um BetandWin/Bwin, die abschließende Entscheidung eine ähnliche Tendenz aufweisen würde.
[Update 15.08.2008:] Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof zur Thematik entschieden.
simons, 29.08.2006, Topic 4.. Kartellrecht, Antitrust (incl. Microsoft) -
"Jagen wir sie aus der Stadt?" - Eine Umfrage der CSU Nabburg:
Satire oder empirische Überprüfung von Voltaire? Viele sind jedenfalls nicht verblieben, denn das Blog ist offenbar verwaist - via bov.
simons, 29.08.2006, Topic 2. Meinungsfreiheit, Freedom of Speech - Nächste Seite